Kapitel 1


Die Sonne brannte. Unerbittlich brachen ihre Strahlen durch die großen Fensterscheiben des Klassenzimmers und heizten den ohnehin schon warmen Raum unnötig auf. Johannes hatte seinen Kopf auf die Tischplatte gelegt und hörte schläfrig dem Getöse seiner Banknachbarn zu, die geschäftig Papierflieger bauten, um sie sodann auf ihre Flugtüchtigkeit zu prüfen. Es war Sommer, die Arbeiten waren allesamt geschrieben und alles wartete sehnsüchtig auf den Beginn der Sommerferien in einer Woche.

Der scheppernde Gong unterbrach jäh die rege Tätigkeit in der Klasse und kündigte die sechste Stunde an. Latein stand auf dem Stundenplan und Johannes konnte bei dem Gedanken daran nur mühsam ein Gähnen unterdrücken. Ihr Lateinlehrer hatte zuletzt angekündigt, die nächste Unterrichtsreihe eng mit Heimatkunde zu verbinden. Das Wort "Latein" selbst erweckte bei den Schülern schon nicht gerade die Vorstellung eines spannenden Unterrichts, aber bei der Verbindung mit Heimatkunde schien es sich um eine Steigerung des Wortes zu handeln.

Natürlich hatte die Klasse in ihrer gewohnt liebenswürdigen Art keinen Hehl aus ihren Ansichten über diese Themenwahl gemacht, und natürlich war der Lehrer nach erfolgloser Diskussion überzeugter denn je, das richtige Thema gewählt zu haben.

Johannes hob demnach auch nur kurz den Kopf, als ihr Lehrer, wie immer bepackt mit unzähligen Büchern und Skizzen aller Art, den Raum betrat und sein Gepäck auf das Lehrerpult fallen ließ, daß es krachte. Johannes ließ seinen Kopf wieder sinken, und der Lehrer nutzte die entstandene Stille, um sich an zwei Schüler zu wenden. "Klaus und Achmed, laßt die Jalousetten runter und öffnet jedes Fenster. Es stinkt hier wie im Saustall!" Dann drehte er sich zur Tafel um und schrieb in großen Lettern:

"Das Bonner Römerlager - Standort - systematischer Aufbau - Geschichte"

Der Unterricht nahm seinen gewohnten Lauf. Die Wärme, das sanfte Klappern der Jalousetten im Wind und das Hintergrundgemurmel der Klasse lullten Johannes ein...

 


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