Kapitel 7


Draußen schlugen ihnen wieder Gesprächsfetzen entgegen, und sie mußten sich durch eine Menschenansammlung drängen. Manche der Männer und Frauen standen in kleinen Grüppchen zusammen und redeten gedämpft. Andere wiederum traten nervös von einem Bein aufs andere und schauten besorgt in die Runde.

Sie wandten sich nach rechts, und Johannes konnte einige Sätze aufschnappen, in denen sich Sorge um die Cannabae ausdrückte. Lucia bog wieder rechts ab, und plötzlich standen sie in einer menschenleeren Gasse, zu deren einen Seite sich die Außenwand des Südflügels der Principia erhob. Auf der anderen Seite befand sich ein hoher, breiter Bau von knapp 100 Metern Länge. Es handelte sich, wie ihm Lucia erklärte, um das Praetorium, das Wohnhaus des Legionskommandanten, und Johannes wunderte sich laut, wieviel Raum dieser Mensch wohl zum Leben hätte. "Du mußt erst einmal sehen,", meinte sie darauf, "daß einem Centurio über 40 mal mehr Platz zur Verfügung steht, als den Gregales, den einfachen Soldaten. Manche meinen, daß sie sogar an der Größe der Räumlichkeiten den Rang des Bewohners innerhalb der Legion abschätzen könnten" Sie waren an eine kleine Kreuzung angelangt, und Johannes fingerte in seiner Westentasche herum. "Willst du einen Kaugummi?", fragte er und beförderte einen Streifen zu Tage. Sie nahm ihn vorsichtig entgegen. "Was ist das?" - "Nun, man kaut darauf eine Weile herum. Es schmeckt sehr gut." Amüsiert beobachtete er, wie sie den Kaugummi in ihren Mund beförderte und andächtig zu kauen begann. "Es schmeckt ganz anders als alles, was ich bisher gegessen habe, aber nicht schlecht.", meinte sie nach kurzer Zeit. Er sah sie an. "In meiner Heimat kennt das jeder, aber keiner hat schon mal etwas von Principia oder Praetorium gehört." - "Erstaunlich.", sagte sie. "Deine Heimat muß am anderen Ende der Welt liegen, wenn wir beide sowenig voneinander wissen." Sie schluckte den Kaugummi herunter, und Johannes biß sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen. Ihr mußte wohl seine Miene nicht entgangen sein und bemerkte: "Wieviele von den Dingern müßt ihr eigentlich täglich essen, um satt zu werden?" Er verkniff sich jegliche Bemerkung und deutete statt dessen fragend auf die Gebäude direkt vor ihnen. "Hier sind die Unterkünfte der Immunes. Das sind die vom Lagerdienst freigestellten Männer, die die Verwaltungsarbeiten in den Principia und Wirtschaftsgebäuden machen. Aber auch die Ärzte wohnen hier, denn ganz in der Nähe liegt das Lazarett. Wir nennen es Valetudinarium." Und ohne auf seine Antwort zu warten, wendete sie sich nach rechts und schritt auf das größere Gebäude am Ende der Gasse zu.


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