Kapitel 4


Die Stimme gehörte einem Mädchen mit schwarzen Haaren und braunen Augen. Ihre braune Hautfarbe unterstrich ihren südländischen Typ und außerdem schien sie in seinem Alter zu sein. Sie grinste. "Ich habe gesehen, wie du dich allein gegen die Germanen gestellt hast." War da Spott in ihrer Stimme zu hören? Johannes lächelte schief und verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß. "Weißt du, ich bin nicht aus der Gegend und wußte nicht, daß ihr öfters Streit mit euren Nachbarn habt." Schon als er ausgesprochen hatte wurde ihm bewußt, daß das wohl eine seiner dümmsten Ausreden seit langem gewesen sein mußte, und bevor sie etwas darauf erwidern konnte, fragte er: "Wo bin ich hier eigentlich?"

Sie sah ihn mit großen Augen an, als hätte er gerade etwas Unmögliches gefragt. "Du befindest dich in castra bonnensia, im Bonner Römerlager, also auf römischen Boden. Und die freundlichen Leute dort", und sie deutete mit einer Hand hinter die Steinmauer, "sind die Germanen, unsere Nachbarn, die von Zeit zu Zeit mal bei uns vorbeischauen, um zu sehen, ob sie etwas erobern können." Den letzten Teil des Satzes hatte sie fast geschrien, und von einem Augenblick zum anderen verstummten die Schreie der Angreifer und die der Verteidiger, und eine geisterhafte Stille legte sich über das Lager. Johannes sah, wie sie sich verwirrt umwandte und mit den Augen den Wehrgang absuchte, der sich direkt vor der Steinmauer entlangzog. Legionäre standen mit dem Rücken zu ihm in ihren Rüstungen auf dem Wehrgang Seite an Seite, und blickten über die Zinnen der Steinmauer. Manche von ihnen trugen auf ihren Helmen farbige Federn, und Johannes entschied, daß es sich wohl um Ränge innerhalb der Legion handeln müsse. Sein Blick blieb an einem Mann hängen, der einen besonders prächtigen Federschmuck auf dem Helm trug und sich mit beiden Händen auf der Mauer abgestützt hatte. Er begann zu sprechen, jedoch konnte Johannes nicht hören, was er den Germanen über die Mauer zuschrie. Johannes betrachtete die Legionäre genauer und stellte fest: "Die tragen ja unterschiedliche Waffen." - "Ja, je nachdem, zu welchem Teil der Legion sie gehören. Die da vorne,", und sie deutete auf eine Gruppe von Legionären auf dem Wehrgang, "sind vielleicht Soldaten einer Hilfskohorte. Sie tragen eine hasta, eine Lanze, während das erste Manipel einer Kohorte den pilum, also den Wurfspieß benutzt. Natürlich darf ich nicht den gladius, das Kurzschwert vergessen, der..." Johannes unterbrach sie: "Was ist eigentlich ein Manipel?" Sie sah ihn von der Seite an: "Du weißt nicht sehr viel über uns.", und er nickte. "Gut, dann werde ich dir mal das Lager zeigen.", und mit diesen Worten bedeutete sie ihm, ihr zu folgen.


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